Solange wir kreativ sind, leben wir.....


Leseprobe

Der Traum vom Schirm

Theo trat vor die Tür und merkte entsetzt, wie seine Vorderpfoten in einer Pfütze versanken. Sofort drehte er sich um und ließ sich seufzend unter das kleine Vordach vor der Haustür plumpsen. Dort war es wenigstens trocken. Kurz darauf kam sein Frauchen Sarah die Treppe herunter gepoltert, um mit Theo die Morgenrunde zu drehen, bevor sie in die Schule ging. „Oh, es regnet, da hole ich schnell meine Regensachen, du musst noch warten, Theo.“ Sie beugte sich zu ihrem Hund hinunter und streichelte über seinen Kopf. Theo wartete gerne, er hatte überhaupt keine Lust raus zu gehen, er hasste Regenwetter!

Sarah kam in blauen Gummistiefeln, die gelb getupft waren, und einer quietschrosa Regenjacke wieder, nahm die Leine, stülpte Theo das rote Halsband über den Kopf und griff sich ihren Lieblings-Regenschirm, der ringsum mit Hunden bedruckt war. Dann ging sie vor das Haus, Theo aber blieb unter dem Vordach sitzen. Sarah drehte sich um: „Theo, jetzt komm doch endlich,“ drängelte sie, dabei wickelte sie sich den gestreiften Schal fest um den Hals und marschierte weiter nach draußen. Theo blieb sitzen. Er schaute in die andere Richtung und tat so, als wäre er nicht gemeint.




Theo war ein großer, zotteliger Hund mit langem hell- und dunkelbraun gemuscheltem Fell. An der Brust war es fast weiß. Die langen Schlappohren waren dunkel. Über der großen feuchten schwarzen Nase blickten braune Augen, die schwarz umrahmt waren, wunderschön „treu“ in die Welt. Aber meistens waren sie durch die langen Haare, die von der Stirn über die Augen fielen, verdeckt. „Das ist ja mal wieder typisch, kaum fällt ein Regentropfen, willst du nicht raus!“ Sarah kam zurück, knipste die Leine an das Halsband und zog daran. Theo der wußte, dass er in Nullkommanix pitschnass wurde, kämpfte gegen die Leine an, indem er sich mit allen Vieren nach hinten drückte und den Kopf nach unten bog. Aber Sarah kannte das Spiel schon und zog noch einmal sehr kurz und heftig an der Leine, sodass Theo durch den Ruck mitmusste, ob er wollte oder nicht. Mit eingezogenem Schwanz, den Kopf weit nach unten gebeugt, trottete er hinter ihr her. Es goss in Strömen und bald war Theo so pitschnass, wie er sich das vorgestellt hatte. In einer Pfütze konnte er sich sehen. Jämmerlich sah er aus, ganz lang hing das Fell an seinem Körper, fast wie eine zweite Haut, und triefte vor sich hin. Zu allem Unglück kam in diesem Augenblick Püppi um die Ecke. Püppi war ein winziger weißer Hund mit edlem Stammbaum. Eigentlich hieß sie „Punita vom grünen Hügel Berlins“, doch weil sie so klein war, wurde sie von allen „Püppi“ genannt.

„Ha, ha! Ich lach mich tot, ein pitsch-patsch nasser Theo!“, kläffte sie in den höchsten Tönen. Püppi war sehr stolz auf ihre Herkunft und legte außerdem großen Wert darauf, dass sie immer passend gekleidet war. Heute war sie in ein leuchtend blaues Lack-Mäntelchen gehüllt. So machte ihr der Regen nichts aus. Püppi ging Theo ziemlich auf die Nerven, weil sie immer laut kläffte, ob sie einen Grund dafür hatte oder nicht. Er tat so, als bemerkte er sie nicht, blieb am Baum stehen und pinkelte.




Dann sah er zu Sarah hoch und seine Augen bettelten: Guck, ich habe gepinkelt. Lass uns bitte umdrehen und nach Haus gehen! Aber Sarah ging unbeeindruckt weiter, in Richtung Park, so wie jeden Morgen. Theo trottete lustlos hinter ihr her und hoffte, dass die Runde nicht allzu groß wurde. Plötzlich rannte Sarah zu einer großen Pfütze und stapfte vergnügt mit ihren Gummistiefeln darin herum, sodass es nach allen Seiten spritzte. Theo war entsetzt, sprang zur Seite, konnte aber nicht wirklich ausweichen. Er schüttelte sich, Regen von oben, Pfütze von unten - das war ihm nun wirklich zu viel! Sie waren vor dem Haus von Max angelangt. Max war wesentlich kleiner als der große Theo und hatte rotbraunes, kurz gelocktes Fell. Sarah nannte ihn „Weddinger Promenadenmischung“. Er war wieselflink und hüpfte zur Begrüßung immer auf und ab, wenn er Theo sah. Seine Nase wirkte plattgedrückt, seine Ohren standen weit vom Kopf ab. Er war kein schöner Hund, aber das war ihm wurscht. „Hallo, Kumpel“, bellte er schon von weitem mit heiserer Stimme, „schön, dich zu treffen.“ Theo blieb stehen: „Wie kannst du nur irgendetwas schön finden an diesem Tag?“ jaulte er. „Warum, was ist an diesem Tag schlecht?“, wunderte sich Max.

„Es regnet!“, erwiderte Theo und schüttelte sich wieder: erst den Kopf, dann den Po und dann den Schwanz. Regentropfen stoben in alle Richtungen davon. „Na und?“, Max blieb unbeeindruckt. „Mir ist das egal, vielleicht kommst du demnächst noch mit einem Schirm“, kommentierte er belustigt Theos Feststellung, drehte sich um und ließ den missmutigen, nassen Freund einfach stehen.




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